Infos zu Erziehungsstellen 34 SGBVIII
 
Erziehungsstelle Husen

Schutzkonzepte in Erziehungsstellen

Ein Kollege sprach folgendes aus: „Es gibt keine gefährlichen Orte, es gibt nur gefährliche Köpfe“. Das finden wir auch und ein Schutzkonzept in Erziehungsstellen legt deshalb einen besonderen Wert auf die Betrachtung von erzieherischen , handlungsleitenden Haltungen. Ein Schutzkonzept sollte von der Grundannahme ausgehen, wie sie Prof. Klaus Wolf beschrieben hat: „ Erziehung hat als eine strukturelle Voraussetzung einen Machtüberhang zugunsten der Erziehenden. Damit konzentriert sich die (theoriegeleitete) Wahrnehmung auf die Frage: Durch welche Machtmittel und aus welchen Machtquellen wird dieser Überhang hergestellt. Sowohl die Erziehungsziele als auch die Auswahl der Machtmittel ist begründungsbedürftig.“ Wolf definiert Macht im Sinne von Norbert Elias: ‘Insofern als wir mehr von anderen abhängen als sie von uns, mehr auf andere angewiesen sind als sie von uns, haben sie Macht über uns, ob wir nun durch nackte Gewalt von ihnen abhängig geworden sind oder durch unsere Liebe oder unser Bedürfnis geliebt zu werden, durch unser Bedürfnis nach Geld, Gesundung, Status, Karriere und Abwechslung‘ “ (K. Wolf, „Macht, Pädagogik und ethische Legitimation“, Evangelische Jugendhilfe 2000: Heft 4: 197-206)
Das Thema „Machtausübung“ lässt sich also in der Pädagogik nicht umgehen und es stellt sich die Frage – wie sie auch Manfred Stoppel in seinem Projekt „Pädagogik und Recht“ formuliert, wie wir als pädagogische Fachkräfte „nach den Regeln der Kunst“ unseren Erziehungs- und Förderauftrag wahrnehmen und pädagogisch fachlich wie rechtlich legitimiert handeln. Welche Form der „Machtausübung“ hat zulässig ein pädagogisches Ziel verfolgt und wurde dabei legitim in ein Kindesrecht eingegriffen oder wurden Grenzen des „Machtüberhangs“ überschritten?

Das Zitat von Norbert Elias macht uns darauf aufmerksam, dass es nicht nur um „nackte Gewalt“ geht, sondern um gegenseitige Abhängigkeiten und um unser Bedürfnis geliebt zu werden. Gerade in Erziehungsstellen, wo besonders beziehungs- und bindungsorientiert pädagogisch gearbeitet und gelebt wird und die pädagogischen Fachkräfte sich in Eltern Rollen bewegen, ist die gegenseitige Abhängigkeit groß und das gilt nicht nur für die betreuten jungen Menschen, sondern auch für die leiblichen Kinder der Erziehungsstellen Familie. Ein Schutzkonzept für Erziehungsstellen muss also das gesamte Familiensystem in den Blick nehmen.

Risikoanalyse Erziehungsstelle

Typisch für den Erziehungsstellenalltag ist, einerseits einen Alltag zu leben, der sich an ein „normales“ Familienleben orientiert. Die bisherigen biografischen und Bindungs- Erfahrungen der aufgenommenen Kinder / Jugendlichen, die entwickelten Verhaltensauffälligkeiten, erlittene Traumata, sexualisierte Verhaltensweisen, Loyalitätskonflikte zu den Herkunftseltern und vieles mehr beeinflussen aber stark den Alltag und das Erziehungshandeln in der Erziehungsstelle. Wir gehen also von einem herausfordernden „Alltag“ aus.

Das Aushandeln einer förderlichen Machtbalance und akzeptierter Regeln und Grenzen geschieht damit eher regelhaft über die Bewältigung von Konflikten und Krisen. Das Angebot der Erziehungsstelle an Beziehung und Bindung, setzt voraus, dass genügend Zeit, Raum und Geduld für ein entsprechendes Wachstum angeboten wird und die Erziehungsstelle es auch auszuhalten lernt, dass ein „normaler“ Alltag und „Beziehungsfähigkeiten“ mit alters angemessenen Sozialkompetenzen eine lange Zeit eben nicht zu erwarten sind. Deshalb ist es sehr wichtig, dass Erziehungsstellen Betreiber sich in ihrem Selbstverständnis uns nicht nur als „Eltern“ begreifen sondern auch mit professioneller Kompetenz und Distanz dem Alltag begegnen und methodisch und reflektiert arbeiten. Erziehungsstellen müssen lernen, „robust“ zu sein und ein gutes Krisen- und Konfliktmanagement zu führen. Ernst gemeinte Beziehungs- und Bindungsangebote erfordern einerseits, sich voll und damit hoch emotonal auf die aufgenommenen Kinder einzulassen, andereseits dürfen sich die erzieherisch tätigen „Erziehungsstellen Eltern“ aber nicht unkontrolliert und ungesteuert bei Konflikten, Bindungs- Enttäuschungen und Verhaltensauffälligkeiten von ihren Emotionen überwältigen und überfordern lassen. Hier ist ein besonderes Einfühlungsvermögen und Fingerspitzengefühl gerade in Bezug auf Nähe – Distanz Regulierung gefordert.

Damit sind pädagogische und entwicklungspsychologische Kompetenzen, Selbstreflexion und Unterstützung durch regelmäßige Fachberatung, Fortbildung, Supervision und auch durch Austausch und Beratung mit KollegInnen wesentliche Schutzfaktoren. Mangelnde Qualität hier erhöht das Risiko von Gewalt- und Machtmissbrauch erheblich!

Eine weitere Stellschraube für einen gelingenden Kinderschutz sind der Einsatz von Entlastungs- und Vertretungskräften in der Erziehungsstelle und natürlich damit auch die Personalauswahl und Anleitung dieser Personen.

Und nicht zuletzt – eine gelingende, alters- und entwicklungs- angemessene Partizipation der betreuten jungen Menschen in den Erziehungsstellen an allen für sie wichtigen Prozessen ist ebenso ein gelebter Kinderschutz vor Gewalt- und Machtmissbrauch. Das heißt, dass die betreuten jungen Menschen in der Erziehungsstelle lernen, ihre Rechte wahrzunehmen, sich beschweren und „nein“ sagen zu dürfen, sich auch extern Unterstützung und Rat holen dürfen und vor allem, dass sie sich alters- und entwicklungsangemessen ernst genommen fühlen.

Zum Schluss: sexuelle Gewalt und sexueller Machtmissbrauch sind eine spezifische Variante von Machtmissbrauch. Hier sind neben den schon oben angeführten Dingen die Auseinandersetzung mit eigenen sexuellen Erfahrungen und Haltungen und die Beachtung der sexuellen Selbstbestimmungsrechte der jungen Menschen entscheidende Schutzfaktoren.

Träger von Erziehungsstellen

Als Träger von Erziehungsstellen sind natürlich noch wesentlich mehr Aspekte für ein Schutzkonzept zu beachten:

  • Leitbild und Trägerhaltung
  • Personalgewinnungsverfahren, Einarbeitung und Kinderschutz
  • Einrichtungskultur und Umgang mit Fehlverhalten von Mitarbeitenden
  • Stellenbeschreibungen und klare Verantwortlichkeiten
  • Partizipationskonzept und Beschwerdemanagement
  • Qualitäts- und Standard Sicherung und Entwicklungsverfahren
  • Ablaufverfahren und Handlungspläne bei Verdacht auf Gewaltmissbrauch und Kindeswohlgefährdung
  • Rehabilitation bei falschen Verdächtigungen
  • Elternarbeitskonzept
  • Presse und Informationsmanagement

-kein Anspruch auf Vollständigkeit-