Infos zu Erziehungsstellen 34 SGBVIII
 
Erziehungsstelle Husen

Trägerformen und Freiberuflichkeit

Zur Problematik von Erziehungsstellen als Subunternehmen in der Jugendhilfe

Dieser Artikel beleuchtet das „Setting“ von Erziehungsstellen, die sich freiberuflich per „Werkvertrag“ oder auf Honorarbasis einer Jugendhilfeeinrichtung angeschlossen haben und benennt einige sensible „Knackepunkte“ in der Zusammenarbeit zwischen Erziehungsstelle und Träger. Als eine besondere Möglichkeit der Organisationsentwicklung größerer Einrichtungen wird auf die Idee einer innerbetrieblich institutionalisierten „Interessenvertretung“ von Erziehungsstellen näher eingegangen.

Es gibt ebenfalls Träger, die ihre Erziehungsstellenbetreiber anstellen. Auch im Angestellteverhältnis gibt es kritische Punkte, die hier aber nur kurz gestreift werden.

(aktualisiert 4.2010)

Überblick

Mit der Entwicklung der Jugendhilfeangebote „Vollzeitpflege“ und „Erziehungsstelle“ nach §§ 33,34 KJHG und dem großen Wachstum dieser Hilfeform in den letzten Jahren, haben viele traditionelle Jugendhilfeeinrichtungen auch diese Form der Hilfe in ihr Angebot integriert. Gleichzeitig sind viele spezielle Einrichtungen , die sich ausschließlich dieser Hilfeform widmen, entstanden. Die Statistik macht ebenfalls deutlich, daß viele unabhängige und selbständige Kleinsteinrichtungen entstanden sind, die sich keinem großen Träger oder Dachverband angeschlossen haben.

Bei einer Erziehungsstelle handelt es sich um eine Arbeitsform, die einerseits professionelle, planbare und öffentlich legitimierte Arbeit leistet, andererseits sich aber stark an dem „Modell“ Familie orientiert, und damit eine sehr vielschichtige, differenzierte und private Hilfeform mit vielen individuellen Ausprägungsmöglichkeiten ist. Die Arbeit mit den aufgenommenen Kindern findet individuell je nach Familie und Problemlagen der Kindes in einem spezifischen Systemzusammenhang statt und bedeutet oftmals ein Sich kümmern, betreuen und ansprechbar sein 24 Std. am Tag 365 Tage im Jahr, mit einer hohen Dichte an Emotionalität und Beziehungsaufnahme.

Deshalb haben sich Träger, Einrichtungen schwer damit getan, den richtigen Arbeitsrahmen zu finden und es stellte sich die Frage, ob arbeits- und tarifrechtlich ein solches ganzheitlich strukturiertes und „Privat-“ wie „Berufsebene“ verbindendes Hilfeangebot überhaupt zu fassen ist. Die Entscheidungen sind unterschiedlich ausgefallen und es haben sich sowohl selbständige in eigener Trägerschaft arbeitende, wie auch freiberuflich einem Träger angeschlossene sowie auch angestellte Arbeitsmodelle entwickelt. Auch die Palette an Konzeptionen, Arbeitszusammenhängen und finanziellen Bedingungen ist trotz aller Standardisierungsversuche noch immer im Detail unterschiedlich. 

Auch in der Beurteilung nach außen arbeiten Erziehungsstellen häufig in einer „Grauzone“ , da ihr ganzheitliches Arbeitskonzept nicht immer eindeutig mit bestehenden Rechtsvorschriften zu fassen ist. Auch hier stellt sich in der Außenbeurteilung die Frage, wieviel normale, private „Familie“ /Pflegefamilie mit familiären Bindungen und wieviel „Heim“ und „Arbeitsplatz“ eine Erziehungsstelle ist. Die Integration von BEIDEN Aspekten ist im Rechtssystem leider nicht bekannt und vorgesehen.

Die freiberufliche Arbeitsform als „Subunternehmer“ einer Einrichtung bedeutet, daß die entsprechenden Familien, bzw. der Unterschrift leistende Vertragspartner eine „Rahmenvereinbarung“ oder einen „Werkvertrag“ mit der Einrichtung geschlossen haben und formal selbständig und eigenverantwortlich arbeiten. Das heißt, daß die Einrichtung dem Vertrag entsprechend Aufgaben wahrnimmt, wie die Vermittlung der Kinder, die sozialpädagogische Beratung der Erziehungsstelle und der Herkunftsfamilie, die Entgeldberechnung und Weitergabe, die Fachaufsicht etc. , sowie die Betriebserlaubnis beantragt, während die Erziehungsstelle die Arbeit mit dem /den Kind(ern) selbständig und verantwortlich übernimmt.

Das einrichtungsspezifische „Setting“ der Freiberuflichkeit,  hat jedoch bedeutsamen Einfluß sowohl auf die Erziehungsstelle als Arbeitsplatz wie auf die Ausrichtung und Qualität der pädagogischen Arbeit. Im folgenden möchte ich ein paar Thesen zur Arbeit von freiberuflichen Erziehungsstelle unter „Arbeitnehmer“ – Gesichtspunkten nennen und Probleme in der freiberuflichen Zusammenarbeit besonders mit komplexeren Einrichtungen beleuchten.

Die freiberufliche Erziehungsstelle als Arbeitsplatz

Je nach geschlossenem Vertragsverhältnis findet freiberufliche Erziehungsstellenarbeit (aber auch angestellte Erziehungsstellenarbeit) häufig unter sehr kritischen Rahmenbedingungen statt, die in den folgenden “ Knackepunkten“ benannt werden sollen. Je nach individueller Vertragsgestaltung können die jeweiligen spezifischen Rahmenbedingungen eines Trägers sehr unterschiedlich sein. Die folgende Aufzählung bedeutet nicht, dass dies bei allen Trägern der Regelfall ist aber eine genaue Detailklärung vor einer Zusammenarbeit ist sehr anzuraten.

„Checkliste“möglicher Knackepunkte:

  • keine Lohnfortzahlung bei Nicht-/ Unterbelegung, Rückführung. Gibt es eine Zahlung von Übergangsgeldern bei Rückführung und wenn ja wie lange? Aber auch bei angestellten Vertragsverhältnissen sind diese heutzutage meist „maßnahmebezogen“, d.h. sind wie Zeitverträge zu sehen, die mit dem Ende einer Betreuungstätigkeit auch enden (Problematik von „Kettenverträgen“ bei mehrfachen Belegungen).
  • keine durch die Einrichtung geregelte Krankheitsvertretung bei „Lohnfortzahlung“. Dies bleibt entweder „Privatrisiko“ und muss selber geregelt werden oder aber es wird  nur eine außerfamiliäre Fremdunterbringung, z.B.  in einrichtungseigenen Wohngruppen / Bereitschaftspflegefamilien unter Einkommensverlust angeboten. manche Träger bieten  Pauschalenregelungen zur eigenverantwortlichen Risikoabdeckung, die aber häufig mehr ein „Babysittergeld“ sind statt ein wirklicher „Vertretungsetat“. In Niedersachsen muß inzwischen  immerhin durch Anforderung des Landesamt für Soziales eine fachlich qualifizierte Vertretungskraft von der Einrichtung benannt werden, die genaue Ausgestaltung dieser Regelung bleibt jedoch frei. Selbständige haben evtl. die Möglichkeit der privaten Vorsorge durch den Abschluss einer Krankentagegeldversicherung.
  • keine Urlaubsvertretung oder finanzielle Anrechnung bei Verzicht auf Urlaub, Urlaubs- und Entlastungsangebote (z.B. Freizeitmaßnahmen) durch den Träger (siehe Regelungen bei Krankheitsvertretung)
  • keine Unterstützung bei Schwangerschaft /Mutterschutz, oder anderen Regelungen zum Beschäftigungsverbot . Bei Angestelltenverhältnissen ist es ebenfalls „unmöglich“ die Arbeitszeitordnung einzuhalten.
  • keine Absicherung bei Arbeitsunfähigkeit,
  • kein Arbeitslosengeld bei Freiberuflern
  • keine betriebliche Alters- Zusatzversorgung. Überhaupt bleibt die Rentenversicherung bei Selbständigen Privatsache und ich empfehle hier dringend eine entsprechende Vorsorge zu treffen.
  • keine zwingende regelmäßige Anpassung der Betreuungspauschale/ des Honorars in Anlehnung an den TVÖD / an Tarifregelungen, sondern nur über vom Träger in eigener Entscheidung vorgenommenen Entgeltverhandlungen.. Selbständige in eigener Trägerschaft müssen die Zeit finden, nach dem Ende von vereinbarten Wirtschaftszeiträumen ihre Entgelte neu zu verhandeln, was häufig ein großer zusätzlicher Aufwand. Freiberufler mit Werkvertrag / Honorarvertrag haben keinen gewerkschaftlichen Rückhalt und müssen ihren Vertrag als „Einzelvereinbarung“ auch selber ggfs. kündigen, bzw. eine Honoraranpassung verhandeln.
  • keine zwingende Entgeltanpassung/Steigerung an Inflationsausgleich, gestiegenen Mietnebenkosten etc. Jugendämter wollen sparen, wie geschickt verhandelt der Träger. Das problem haben auch die Selbständigen in eigener Trägerschaft – Gefahr der Selbstausbeutung.
  • keinen Betriebsrat, keine Mitarbeitervertretung mit institutionalisierten Betriebsvereinbarungen und Tarifverhandlungen und entsprechendem Arbeitnehmerschutz und Konfliktlösungsmöglichkeiten, zum Beisp. Bei Neu- Wiederbelegung, Personalbeurteilung, Problemen in der Zusammenarbeit etc. bei den Freiberuflern mit Anbindung an einen Träger.
  • fehlende Transparenz in der Kostenstruktur und Entgeldberechnung, z.B. Anteil Träger zu Anteil Erziehungsstelle, und im Antragswesen, (was kommt vom Entgelt in der Erziehungsstelle an?) bei angestellten wie freiberuflich Arbeitenden.
  • kein gesetzliches Mitspracherecht der Erziehungsstellen bei gerichtlichen Auseinandersetzungen um das „Kindeswohl“ und große Anhängigkeit von der „Trägermeinung“ z.B. bei der Durchsetzung von Interessen um das Kind. Dies gilt für alle Arbeitsformen und hier steht die Erziehungsstelle unsicherer da als eine „normale“ Pflegefamilie.
  • starke Anbindung an die Einrichtung durch die Klauseln in den Werkverträgen, z.B. nur mit einer Einrichtung zusammenzuarbeiten und nur über diese eine gültigen Betriebserlaubnis zu bekommen. Hier steht eine Erziehungsstelle in der Gefahr einer Scheinselbständigkeit. 
  • kein Kündigungsschutz z.B. bei Rückführung trotz langjähriger Arbeit und Betriebszugehörigkeit. Neubelegungen bedeuten immer auch eine Vertrauensfrage, wie „ehrlich“ der Träger die Leistung einer Erziehungsstelle beurteilt und auch wie offen er dies rückmeldet. Es besteht die Gefahr, dass ein mangelndes Interesse an Zusammenarbeit dahinter versteckt wird, das der Träger kein „passendes Kind“ für eine Neubelegung findet und damit ohne eine Kündigung die Erziehungsstelle quasi „arbeitslos“ wird. Bei Angestelltenverhältnissen werden oft immer wieder neue Zeitverträge geschlossen und damit gibt es kein unbefristetes Arbeitsverhältnis.

Damit wird klar, dass „Freiberuflichkeit“ heißt, viele Arbeitgeberrisiken selbst zu tragen und es stellt sich die Frage, wofür und ob sich das „lohnt“. Die größere Selbständigkeit und Selbstverantwortung könnte eine Antwort sein, dass es sich eher um eine „Scheinselbständigkeit“ handelt lautet je nach Vertragslage die Erwiderung.

Allerdings ist dieser Artikel auch kein Plädoyer für eine Arbeit im Angestelltenverhältnis. Hier sind zwar die Arbeitgeber -Arbeitnehmerpositionen und Verpflichtungen geklärt, jedoch sind diese Vertragsverhältnisse oftmals maßnahmeabhängige Zeitverträge und damit bestehen immer noch deutliche Unterschiede zu der Absicherung eines Angestellten mit unbefristetem Arbeitsvertrag.

Das häufig auf diese Arbeitsrisiken entgegengehaltene Argument, dass ja eine Erziehungsstelle nicht finanziell allein von dieser Arbeit abhängig sein soll, halte ich nicht für stichhaltig, auch wenn das natürlich in der Praxis das finanzielle Einkommensrisiko vermindert.

  • Auch 1 Kind ist schon „richtige“ Arbeit, rechnerisch etwa eine halbe Erzieher- /Sozialpädagogenstelle und erfahrungsgemäß richtet sich eine Familie, die Erziehungsstelle werden will, selbst schon bei einem Kind darauf ein und benötigt langfristig mehr Wohnraum, mehr Ausstattung, einen Platz mehr im Auto etc. und hat damit erhöhte Kosten, die nicht jederzeit reduzierbar sind. Emotional nimmt ein aufgenommenes und in der Regel problematisches Kind mit problematischen Herkunftseltern sowieso einen sehr großen Raum im Familiensystem ein.
  • Viele Erziehungsstellen nehmen zwei Kinder auf, entsprechend erhöht sich die Arbeitsleistung auf eine Erzieher- /Sozialpädagogenstelle und bindet ein wesentliches Zeitkontingent im (Arbeits)Leben der betroffenen Betreuungsperson und zwar langfristig, was für die weitere Lebens- und Karriereplanung bedeutsam ist. Eine Nebenbeschäftigung ist bei 2 aufgenommenen Kindern in der Regel nicht möglich und muss grundsätzlich vom Träger genehmigt werden . Damit erhöhen sich auch die finanziellen Abhängigkeiten. Und warum auch eigentlich nicht? Wer glaubt, so „nebenbei“ diese Arbeit machen zu können irrt und wo bliebe da die Notwendigkeit von Fachlichkeit und die Professionalität?
  • Wenn Erziehungsstellen professionell arbeiten sollen, dann müssen auch die Arbeitsbedingungen „professionell“ sein und es sollte im Interessen von Ämtern und Einrichtungen liegen, erfahrene und langfristige Erziehungsstellen zu gewinnen und an sich zu binden. Das wird jedoch nur gelingen, wenn Erziehungsstellen als „richtige“ Arbeit mit entsprechenden Bedingungen sich etabliert.
  • Nicht zuletzt bleibt auch hier noch zu beachten, dass Erziehungsstellen in der Gesellschaft, z.B. im nachbarlichen Umfeld oft nicht als „Arbeit“ (an)erkannt werden, was zwar konzeptionell durchaus erwünscht ist, der eigenen Selbstbewertung und der Motivation der Familie jedoch nicht gerade förderlich ist. Ein professioneller Arbeitsrahmen und Anerkennung im professionellen Umfeld ist hier sicherlich stützend.

Pädagogische Rahmenbedingungen für Erziehungsstelle

Neben arbeitsrechtlich relevanten Hintergründen wird die Arbeit der Erziehungsstelle wesentlich vom Konzept einer Einrichtung und der Zusammenarbeit mit Einrichtungsteilen bestimmt. Gerade im Zusammenspiel zwischen angestellten Mitarbeitern einer Einrichtung, z.B. Fachberater, Psychologen, Leitungsebenen, etc. und freiberuflichen Erziehungsstellen treffen sich unterschiedliche Denksysteme und Erfahrungshintergründe.

  • So kann eine auf individuelle Vorgehensweise „trainierte“ und rund um die Uhr im „Dienst“ befindliche Erziehungsstelle undurchsichtige Führungs- und Kompetenzverhältnisse mit langen Dienstwegen und mehrstufigen hierarchisch geprägten Entscheidungsstrukturen als „verwirrend“, „frustrierend“ und „demotivierend“ erfahren.
  • Das alltägliche Verwaltungshandeln eines „Heimbetriebes“ ist wenig kompatibel zur geforderten Flexibilität und Individualität eines Familiensystems.
  • Besonders engagierte Erziehungsstellen wollen sich nicht als „unterste Ebene“ im hierarchischen System einer Einrichtung erfahren, sondern verstehen sich als eigenverantwortliche Partner und wollen entsprechend einbezogen sein, z.B. bei konzeptionellen Überlegungen etc.
  • Die Wahrnehmung von Fachaufsicht, Verpflichtung zur Fachberatung und das Konzept von Zusammenarbeit mit anderen Erziehungsstellen steht im Widerspruch zur geforderten Selbständigkeit eines Subunternehmers, damit er nicht als (fiskalisch) „scheinselbständig“ gilt. Theoretisch bin ich unabhängig und selbständig, andererseits möchte die Einrichtung mich zu einer Zusammenarbeit verpflichten.

Die Fachberatung ist die engste Verbindung der Erziehungsstelle mit einer Einrichtung. Die Fachberater nehmen häufig sehr vielfältige Aufgaben wahr, wie die päd. Beratung der Erziehungsstelle bis hin zur Supervision, das Sozialmanagement, die Arbeit mit der Herkunftsfamilie, Kontakte zu Jugendämtern, und ebenfalls häufig die Fachaufsicht ( d.h. auch Arbeitsbewertung), und die Entscheidung über eine mögliche Neu- oder Wiederbelegung und dessen Zeitrahmen. Alles liegt in einer Hand ohne jede institutionalisierte Kontroll- und Legitimationsabsicherung. Neben der Frage, ob Fachberater diesem umfangreichen Aufgabenfeld gewachsen sind oder sich im Bemühen, alle verschiedenen „Parteien“ und „Sichtweisen“ in sich zu vereinen, innerlich zereißen und überfordern, bedeutet dies jedenfalls eine Konzentration von „Einfluß“ und „Definitionsmacht“ und damit sind Probleme in der Partnerschaftlichkeit der Zusammenarbeit vorprogrammiert und die Gefahr einer „Hierarchisierung“, (Anleiter-Klient Verhältnis) gegeben. Deshalb reagieren Erziehungsstellen u. U. bei Problemen sehr sensibel…

  • auf die „Etikettierung“ ihres Familiensystems und fühlen sich schnell pädagogisch bewertet in ihrer Arbeitsleistung und reagieren mit einer Reduzierung von Offenheit und Vertrauen oder mit Überanpassung, sowie Ängsten und Abhängigkeitsgefühlen, besonders bei Rückführungen, wegen möglicher Probleme bei einer Wiederbelegung . Gerade eine Rückführung steht deshalb im Zwiespalt zwischen pädagogischem Sinn und latenter Existenzangst (siehe auch Übergangsgeldregelung oben).
  • Im Extremfall könnten Erziehungsstellen sich als als weisungsgebundene „Klienten“ und als „Erziehungsmechaniker“ eines fremddefinierten Systems begreifen.
  • Auch das Vertrauen in einen sensiblen Umgangs mit der familiären Privatsphäre muß gepflegt und gefördert werden, z.B. durch eine klare Trennung von Beratung und Leitung.
  • Teamsupervision, sicher ein notwendiges Arbeitsmittel für Fachberater, hinterlassen im Zuge von Führungs- und Zusammenarbeitsproblemen jedoch schnell bei der einzelnen Erziehungsstelle das Gefühl von Ohnmacht und Druck, wenn von Teambeschlüssen die Rede ist (Z:B. „wir, das Team haben beschlossen…), die damit Normcharakter für die Erziehungsstelle erhalten sollen.
  • Gerade bei größeren, komplexeren Einrichtungen mit mehreren Hilfeangeboten geraten Fachberater wie auch Erziehungsstellen schnell in den Sog traditionellen Verwaltungs- und Führungshandelns und es gilt nicht das besondere Setting einer Erziehungstelle zu verspielen, das dann seine beste Leistung erbringt, wenn Hilfe sehr individualisiert und im privaten Rahmen stattfindet und sich vom traditionellen Heim- und Gruppenalltag unterscheidet.
  • Eine motivierende und sinnstiftende Organisationsentwicklung und partnerschaftliche Zusammenarbeit tut Not.

Resumee

Die Jugendhilfeform „Erziehungsstelle“ muß sich weiter professionalisieren und weiterentwickeln. Gerade die freiberuflich arbeitenden Erziehungsstellen haben die Chance durch ihre großen Gestaltungsmöglichkeiten Hilfe für das einzelne Kind „auf den Punkt zu bringen“. Zu einer professionellen Arbeit gehört jedoch auch dazu, dass neben den pädagogischen Konzepten/ Leistungsbeschreibungen auch die Arbeitsrahmenbedingungen aktiv, verantwortlich und im Sinne einer gewissen Fürsorge gestaltet werden müssen, damit aus freiberuflicher Arbeit keine Arbeit 2. Klasse wird.

Die Funktion einer „Interessenvertretung Erziehungsstellen“

Als eine Möglichkeit, in komplexeren Einrichtungen freiberufliche Erziehungsstellen besser in das Einrichtungsnetz zu verzahnen und die Zusammenarbeit befriedigender zu gestalten möchte ich hier die Idee einer „Interessenvertretung von Erziehungsstellen“ nennen.

Aus dem oben dargelegten lassen sich schnell folgende Aufgaben ableiten:

  • Eine Interessenvertretung kann die unmittelbaren Interessen von Erziehungsstellen sammeln, und wahrnehmen. Eine Meinungsbildung und Bündelung der Interessen schafft erst die Voraussetzungen für eine aktive Mitgestaltung innerhalb einer komplexen Kommunikationsstruktur einer Einrichtung.
  • Eine Interessenvertretung regt regelmäßigen Austausch und Kontakt untereinander an, ohne Kontrolle von außen und Begrenzung auf pädagogische Themen. Sie kann so einen Informationsfluß und Meinungsbildungsmöglichkeiten anbieten und Erziehungsstellen das Gefühl geben, als „Mitarbeiter“ und „Arbeitnehmer“ nicht allein zu stehen.
  • Da Freiberuflichkkeit heißt, keinen Betriebsrat oder keine Mitarbeitervertretung zu haben, dennoch aber Regelungsbedarf und auch Kontroll- und Legitimierungsbedarf bei einer Einrichtung besteht, kann eine Interessenmvertretung die Funktion einer Personalvertretung übernehmen.
  • Eine frei gewählte und mit einer Geschäftsordnung demokratisch gestaltete Interessenvertretung kann wie auch an Kindergärten und Schulen praktiziert, bestimmte Mitsprachemöglichkeiten wahrnehmen, z.B. Mitarbeiter in bestimmte Kommunikationsgremien einer Einrichtung entsenden, wodurch sich eine größere Transparenz und eine verbesserte und kontinuierliche Mitgestaltungsmöglichkeit ergibt
  • Eine Interessenvertretung kann sich einzelnen Erziehungsstellen als Hilfe bei festgefahrenen Konflikten mit der Einrichtung und als Vertrauensperson und Vermittler anbieten. Keine Erziehungsstelle sollte sich mit Problemen der Einrichtung gegenüber alleingelassen oder womöglich ausgeliefert fühlen.
  • Eine Interessenvertretung kann Fortbildungen zu bestimmten Themen anbieten und Gemeinsamkeiten schaffen, z.B. durch die Organisation von Ausflügen, Festen und anderen gemeinsamen Unternehmungen.
  • Auf längere Sicht gesehen sollte deshalb eine demokratisch legitimierte Interessenvertretung institutionell in der Einrichtung verankert sein und mit bestimmten Kompetenzen und Mitwirkungsmöglichkeiten, z.B. durch Betriebsvereinbarungen, ausgestattet sein.

Vertretung nach außen

Da es inzwischen eine große Anzahl an Erziehungsstellen mit unterschiedlichsten Organisationsformen gibt, besteht auch ein großes Interesse an einrichtungsübergreifenden Austausch zu Arbeitsbedingungen, Konzepten, Finanzen und ein Interesse an „Marktübersicht“. Getreu dem „freien Spiel der Kräfte von Angebot und Nachfrage“ sollte sich die effektivste Hilfe gepaart mit sinnvollen und verantwortungsbewußten Arbeitsbedingungen langfristig durchsetzen und so zu einem bundeseinheitlichen Standard heranwachsen.

Persönliches Resumee

In der Anbindung an größere Einrichtungen und in der Freibreuflichkeit liegen Chancen und Gefahren für eine verantwortungsvolle und sinnvolle Gestaltung der Rahmenbedingungen sehr dicht beieinander. Auch die Sicherung einer guten Qualität der pädagogischen Arbeit kann theoretisch durch eine bestimmte Größe der Einrichtung gefördert werden, aber  die Gefahren in „klassisches“ Heimmanagement und in entwicklungshemmende Schwerfälligkeiten steckenzubleiben sind groß.

Nicht zuletzt bleibt anzumerken, daß eine organisierte „Interessenvertretung“ als Personalvertretungs- und Qualitätssicherungssystem ein besonderes Engagement der jeweiligen Erziehungsstellen über die eigentliche (kräftezehrende) Betreuung der aufgenommenen Kinder hinaus innerhalb der Einrichtung voraussetzen.

Unsere persönlichen Erfahrungen haben leider gezeigt, daß sowohl das Engagement der Erziehungsstellen, als auch das Interesse und die fruchtbare und verbindliche Zusammenarbeit mit der Einrichtung nicht selbstverständlich sind.

Deshalb endete unser Versuch einer Zusammenarbeit mit einer größeren Einrichtung und  dem Aufbau einer Interessenvertretung mit der Entscheidung sich zu lösen und einen eigenen Weg zu gehen, mit dem Ziel eine eigene, überschaubare und „schlanke“ Einrichtung zu gründen. Dies haben wir inzwischen geschafft und uns Bedingungen geschaffen, die unserer Vorstellung von Arbeit näher liegen.